Angst abbauen und Furcht behalten
Damit wir vom Gleichen sprechen
Ich unterscheide zwischen Angst und Furcht. Furcht ist begründet und wir sollten nicht daran herumexperimentieren! Wir wollen weder auf die heiße Herdplatte fassen noch mit einem wild lebenden Löwen schmusen.
Der Furcht liegt eine reale Gefahr zugrunde und sie ist absolut berechtigt. Angst entsteht im Kopf und es steht zu dem Zeitpunkt noch nicht fest, ob sie berechtigt ist.
Menschen mit unterschiedlichen Ängsten verstehen einander nicht. Spätestens seit den letzten zwei Jahren wissen wir das genau.
Die Menschen, die Angst vor dem Virus haben, können die Menschen, die Angst vor der Impfung haben, nicht verstehen.
Es ist völlig normal, dass wir uns nicht permanent in unser Gedächtnis rufen, dass es sich bei beidem um eine Angst handelt, also das Grundgefühl ein verbindendes ist oder sein könnte.
Unsere Reaktionen bei Angst und Furcht
Immer noch schlägt uns die Evolution als Erstreaktion Flucht oder Erstarren vor. Die Reaktionen im Körper können beispielsweise Anspannung, Beschleunigung des Herzschlages, vermehrte Schweißbildung sein. Später folgen dann Abwehrmechanismen wie beispielsweise Aggression, Defension, Rückzug, Rationalisieren oder Vermeiden.
Angst ist ein schlechter Ratgeber
Sobald Angst entsteht, bekommen wir einen Tunnelblick und der verstellt den Blick auf mögliche Lösungen. Im schlimmsten Fall endet das in Vermeidungsverhalten oder Dogmatismus.
Was also tun, wenn die Angst anklopft
Glaub‘ nicht alles, was Du denkst
Unsere neuronalen Netze verarbeiten Fiktion und Wahrheit gleich schnell, ohne zu prüfen. Das heißt, wir stellen uns im Kopf ein Szenario vor und unser Körper und Geist reagiert mit unseren Angstroutinen. Ein weiterer unangenehmer Nebeneffekt ist: Je größer die Angst, desto weniger lassen wir mit uns reden.
Wenn du nicht alles glaubst, was du denkst, dich sozusagen beim Denken beobachtest und die Sache ein bisschen spielerischer angehst, bist du eher bereit, dich auf neue Gedankengänge einzulassen.
Du bist nicht deine Gedanken
Wir sind nicht unsere Gedanken, wir denken sie nur. Wir sind so viel mehr. Wenn ich meine Gedanken von allen Seiten betrachte, sie prüfe, vielleicht behalte, wieder zum Empfänger zurückgebe oder an den Nächsten weitergebe, dann gehe ich bewusster mit meinen Gedanken um.
Ich bin nicht mehr mein Gedanke, ich habe ihn nur. Lehnt ein anderer meine Gedanken ab, nicht schlimm, es ist nur mein Gedanke, den er in diesem Moment ablehnt. Das fühlt sich schon viel leichter an. Vor allem, wenn es um Angstgedanken geht. Aber wie prüfe ich nun meine Gedanken sinnvoll?
Hinterfragen, hinterfragen, hinterfragen
Hatte ich diese Angst schon immer? Was war davor anders? Wie habe ich mich ohne diese Angst gefühlt? Was genau hat sie ausgelöst? Wie wahrscheinlich ist mein Szenario? Was wäre das Schlimmste, was passieren kann? Denk‘ diesen Gedanken zu Ende. Vergewissere dich selbst dabei, dass du gerade in Sicherheit sind.
Haben alle Menschen diese Angst? Wenn ich Menschen ohne diese Angst kenne, wie fühlen sie sich? Wie erleben sie diese Situationen? Quetschen sie diese Personen aus!
So tun, als ob
Als Kinder haben wir alle mit Gedanken gespielt. Wir haben so getan, als wären wir Mutter oder Vater, ein Sänger oder Arzt. Unserer Fantasie waren keine Grenzen gesetzt. Als Erwachsener ist das verpönt. Dabei kann man wunderbare neue Gedankenbahnen errichten.
Erinnere dich, unser Geist und Körper kann nicht zwischen Fiktion und Wahrheit unterscheiden. Anstatt ihm Horrorfilme oder Nachrichten zu füttern, könnten wir uns den Umstand zunutze machen und erwünschte Gedankenbahnen einrichten.
Habe ich Höhenangst, stelle ich mir vor, wie ich auf eine Leiter steige und nicht nur die Stufen hochklettere, sondern förmlich tanze. Ich sehe, wie sich mein Ausblick verändert, wie viel mehr man von oben sehen kann.
Ich gehe also mit allen positiven Gedanken, die mir einfallen, im Kopf diese Leiter hoch. Wenn ich das täglich tue, werde ich in Kürze die ersten Stufen einer echten Leiter erklimmen können.
Diese Vorgehensweise ist aus dem Hochleistungssport bekannt. Sie ist auch längst durch die Neurowissenschaften beweisbar. Wir können so tun, als ob wir ein großartiger Redner seien. Wir sehen und fühlen, wie wir uns fühlen werden, wenn wir vor vielen Menschen sprechen.
Durch die Wiederholung und die Intensität, die wir durch das Vorfühlen erreichen, werden aus den Trampelpfaden in unserem Gehirn Autobahnen und das lange bevor wir in die tatsächliche Situation kommen.
Jeder, der sich auf etwas freuen kann, das in der Zukunft passieren wird, kann auch „vorfühlen“. Freude ist ein Gefühl!
Oder du suchst dir einen Rückzugsort.
Innerer Ort der Ruhe
Diesen Ort sollte man sich im „Normalzustand“ kreieren. Ein fiktiver oder ein Lieblingsort, an den du dich erinnerst oder den du aufsuchst, wenn die Angst vor der Tür steht.
Erlebe diesen Ort mit allen Sinnen. Was gibt es zu sehen, hören, fühlen, riechen, schmecken?
Je intensiver und deutlicher er für dich im Normalzustand ist, umso leichter lässt er sich vor der Panik aufrufen.
Notfallmaßnahme: Atmung
Wenn doch mal Panik einsetzt, auf die Atmung konzentrieren. Mehr ausatmen als einatmen, tief und regelmäßig. So einfach es klingt, so gut funktioniert es auch.
Fazit
Ich hoffe, es ist eine Methode für dich dabei. Wenn nicht, bitte gib nicht auf. Es gibt noch so viele andere Methoden und eine funktioniert bestimmt auch bei dir.
Die Neurobiologie hat schon längst bewiesen, dass unser Gehirn ein Leben lang umbaufähig, also lernfähig bleibt. Nutzen wir diesen Umstand. Die Angst haben wir irgendwann erlernt, also können wir sie auch wieder verlernen.